Pflanzenschutzdienst

Beizung im Wintergetreide

Webcode: 01044617
Stand: 25.08.2025

Empfehlungen zur Getreide-Beizung für die Herbstaussaat 2025

Getreidesaatgut wird seit über 100 Jahren mit fungiziden Wirkstoffen gebeizt. Die Beizung hat zum Ziel, samenbürtige Krankheiten wie Flug- oder Steinbrände und bodenbürtige Krankheiten wie Schneeschimmel, Fusarium oder Rhizoctonia zu bekämpfen. Diese können den Auflauf beeinträchtigen und lückige Bestände hervorrufen. Hinzu kommen Mindererträge, Qualitätseinbußen und Vermarktungsprobleme wie z. B. beim Steinbrand. Unerlässlich für die Etablierung eines gesunden Bestandes sind jedoch auch die ackerbaulichen Maßnahmen wie Sortenwahl, Saattermin, Bodenbearbeitung und die Fruchtfolge.

Durch die gezielte Applikation geringer Aufwandmengen – etwa 2 % der Aufwandmenge einer Flächenspritzung - entspricht die Beizung in besonderem Maße den Anforderungen des integrierten Pflanzenschutzes. Das Präparat sollte mit entsprechender Wirkungsbreite auf die Anbausituation abgestimmt werden. Bei der Auswahl macht sich allerdings die zunehmend kleinere Wirkstoffpalette bemerkbar. Aktuell steht mit Fludioxonil der nächste Wirkstoffverlust bevor, der weitreichende Konsequenzen für die Anzahl zugelassener Beizmittel haben könnte.

Gerstenflugbrand im Bestand
Gerstenflugbrand im BestandPetra Henze

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Getreidebeizen Zulassung Wirkstoffe Kosten
Getreidebeizen 2025 Zulassung Wirkstoffe KostenDr. Hendrik Hanekamp

Herbstaussaat 2025 noch ohne Einschränkungen

In der Tabelle 1 sind die aktuell zugelassenen Beizmittel mit ihren Eigenschaften und Anwendungsgebieten aufgeführt, darunter auch zwei Präparate auf biologischer Basis mit einer Pflanzenschutzmittelzulassung. Neu als Nachfolger für Toledo steht das wirkstoffidentische Bariton (Prothioconazol + Fluoxastrobin) mit einer Zulassung in Weizen, Roggen und Triticale zur Verfügung.

 

Der Wirkstoff Fludioxonil wurde in einer Veröffentlichung im November 2024 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als endo­kriner Disruptor, d.h. als hormonell wirksam, eingestuft. Seitdem finden auf EU-Ebene Diskussionen in den Zulassungsgremien statt, ob es Sonderregelungen für diesen wichtigen Wirkstoff geben kann. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass ein Verbot des Wirkstoffes in der EU kommen wird. Von einem Verbot wären nahezu sämtliche Getreidebeizen betroffen, da Fludioxonil in fast allen zugelassenen Beizen enthalten ist (s. Tabelle 1). Die Beizung gegen Weizen-, Gersten- und Haferflugbrand wäre ohne Landor CT, Rubin plus, Seedron oder Vibrance Trio nicht möglich. Fludioxonil ist in der EU noch bis zum 30.09.2026 zugelassen. Die Aussaat 2025 ist noch ohne Einschränkungen bei den Beizmitteln möglich. Die weitere Entwicklung zu Fludioxonil bleibt abzuwarten.

 

Wintergerste - was tun gegen Flugbrand und Streifenkrankheit?

Wintergerste ist vor allem durch Flugbrand (Ustilago nuda) gefährdet. Seit einigen Jahren erreichen uns immer wieder Meldungen zum Flugbrandbefall (Foto 1). Ursache dafür können ungebeizte befallene Partien, ungetesteter Nachbau ohne Beizschutz sowie schlechte Beizqualität sein. Aber auch trockene Witterung zur Aussaat hat einen Einfluss auf die Wirkungsgrade der eingesetzten Beizmittel. Für Gerste stehen Landor CT, Rubin plus, Seedron und Vibrance Trio zur Verfügung, die alle gegen Flugbrand und Streifenkrankheit (Drechslera graminea) zugelassen sind. Mit Vibrance Trio sowie Rubin plus kann auch die Typhulafäule bekämpft werden. Der Schwächeparasit Typhula stellt häufig ein Problem auf leichteren Böden, Grenzstandorten und Tonböden dar, ist aber in den letzten Jahren in Niedersachsen selten in ertragsrelevantem Ausmaß aufgetreten.

 

Roggen und Triticale gegen Schneeschimmel und Fusarien absichern

In Roggen und Triticale muss auf eine sichere Wirkung gegen Fusarien und Schneeschimmel (Microdochium nivale) geachtet werden. Eine gute Wirkung haben die Präparate Celest, Landor CT und Rubin plus. Alle genannten Präparate schützen auch gegen Stängelbrand (Urocystis occulta) in Roggen. Rubin plus hat jedoch keine Zulassung gegen Stängelbrand. Vibrance Trio ist in Triticale nur gegen Schneeschimmel zugelassen.

 

Weizensteinbrand
WeizensteinbrandPetra Henze

Winterweizen

In Winterweizen liegt der Fokus auf dem Steinbrand (Tilletia spp.), aber auch Weizenflugbrand (Ustilago tritici) und Fusarienarten müssen berücksichtigt werden. Bei späteren Saatterminen ist außerdem der Schneeschimmel (Microdochium nivale) von Bedeutung. Symptome von Schneeschimmel sind 2024 wieder vereinzelt aufgetreten. Beizen mit entsprechendem Wirkungsspektrum sind Landor CT, Vibrance Trio und Seedron. Diese decken das Erregerspektrum vollständig ab. Celest hat keine Flugbrandwirkung und sollte daher nicht im Rahmen der Saatgutvermehrung eingesetzt werden.

Achtung bei Fischgeruch im Weizen!

Der Weizensteinbrand Tilletia caries führt regelmäßig zu Problemen, insbesondere dort, wo mehrjährig eigenes ungebeiztes Saatgut verwendet wird. Das trifft besonders im ökologischen Landbau zu. Nicht erkannter Befall im Nachbausaatgut kann über die Jahre zu einem erheblichem Krankheitsausmaß führen. Befallene Partien ziehen Vermarktungsprobleme nach sich und müssen auch in der Fütterung aufgrund der Toxine kritisch beurteilt werden. In den Ähren werden statt Körnern „Brandbutten“ ausgebildet, die eine schwarze Masse aus 4-5 Millionen Brandsporen enthalten und intensiv nach Fisch riechen. Erkrankte Pflanzen fallen im Bestand kaum auf. Sie sind aber häufig im Wuchs etwas verkürzt, oft von blaugrüner Farbe und haben gespreizte Spelzen (Foto 2: Weizensteinbrand). Hier gibt es jedoch nach unseren Erfahrungen viele sortentypische Unterschiede, die Ansprache im Bestand ist schwierig und ohne Anschneiden der Ährchen oft nicht sicher möglich. Deutlich wahrnehmbarer Fischgeruch im Bestand deutet bereits auf stärkeren Befall hin! Bei der Ernte werden die Brandbutten zerschlagen, und enorme Sporenmengen kontaminieren das Erntegut, Erntemaschinen, Stroh, Lager und Hofstellen. Starkbefall kann nach der Ernte durch überdauernde Sporen in den Folgejahren auf dem betroffenen Schlag auch zu bodenbürtiger Infektion führen. Hauptsächlich erfolgt die Infektion jedoch über das Saatgut. Eine Saatgutuntersuchung auf Sporenbesatz ist daher insbesondere bei Nachbau unbedingt anzuraten. Die Untersuchung auf Steinbrand kann im Diagnoselabor der Abteilung Mykologie im Pflanzenschutzamt durchgeführt werden und kostet derzeit 53,00 € je Probe. Infos hierzu finden Sie unter Webcode 01043240 auf unserer Homepage www.pflanzenschutzdienst-niedersachsen.de. Partien mit durchschnittlich über 20 Steinbrandsporen je Korn sollten nicht als Saatgut verwendet werden. Ab 10 Sporen empfehlen wir eine Beizung. In der Saatgutvermehrung gelten 5 befallene Pflanzen/150 m² als Grenzwert für die Anerkennung.

Alle im Weizen zugelassenen Beizmittel (s. Tabelle 1) verfügen über hohe Wirkungsgrade gegen Weizensteinbrand Tilletia caries. Der Zwergsteinbrand Tilletia controversa gilt in einigen Ländern, z.B. Türkei, China und Kanada, als Quarantäneschaderreger mit entsprechenden Exportbestimmungen. Er kann ausschließlich mit Landor CT und Difend Extra bekämpft werden. Der Grenzwert liegt bei 1 Pflanze /m² für die Anerkennung in der Saatgutvermehrung.

 

Wirkungsgrade gegen Steinbrand
Wirkungsgrade gegen Steinbrand im WeizenDr. Hendrik Hanekamp

Alternative Beizmittel und Verfahren gegen Steinbrand

Insbesondere im Ökolandbau können gegen den Weizensteinbrand alternative Präparate und -verfahren genutzt werden, wie z.B. das als Pflanzenstärkungsmittel vom BVL gelistete Gelbsenfmehl Tillecur, die Bakteriensuspension Cerall, die Elektronenbehandlung und die thermische Behandlung, die in unseren langjährigen Versuchen mit künstlicher Inokulation mit verschiedenen Sporenkonzentrationen sehr gute Wirkungsgrade gezeigt haben (s. Grafik 1) und dem Vergleich mit den chemischen Beizen standhalten. Auch im konventionellen Anbau sollten diese Alternativen im Zuge weiteren Wirkstoffwegfalls in Betracht gezogen werden, wenn das Saatgut nur mit Steinbrand befallen ist. Gegen Flugbrand sind die Thermo- und Elektronenbeize wenig wirkungsvoll, da dieser Erreger als Myzel im Embryo des Samens ruht und nicht außen am Samen als Spore anhaftet.

 

Schwarzbeinigkeit an Winterweizen
Schwarzbeinigkeit an WinterweizenPetra Henze

Beizen gegen Schwarzbeinigkeit ?

Seit 2021 beobachten wir in unseren Versuchen einen tendenziellen Anstieg des Befalls mit Schwarzbeinigkeit (Gaeumannomyces graminis) im Weizen. Der bodenbürtige Pilz verursacht eine Schwarzfärbung an Wurzeln (Foto 3).  und Vermorschung der Halmbasis. Die Ähren werden notreif und färben sich weiß. Bei starkem Befall kann das ganze Wurzelsystem zerstört werden. Direkt bekämpfen lässt sich die Schwarzbeinigkeit in Weizen und Triticale nur mit der Spezialbeize Latitude, in der Gerste mit Latitude XL. Grundsätzlich sind jedoch nur Teilwirkungen zu erwarten. Latitude (ca. 31 €/dt) muss in Kombination mit Standardbeizen eingesetzt werden, da es nur gegen Schwarzbeinigkeit wirkt. Als Mischpartner sollten Beizen mit Steinbrand- und Schneeschimmelwirkung sowie in Vermehrungsbetrieben auch mit Flugbrandwirkung gewählt werden.

Risikofaktoren sind hohe Getreideanteile in der Fruchtfolge, Frühsaat, Bodentemperaturen > 10° C, leichte Böden, pfluglose Bodenbearbeitung, schlechte Strohrotte sowie Befall in den Vorjahren. Bei normaler Wasser- und Nährstoffversorgung kann eine Getreidepflanze bis zu 30 Prozent Wurzelverluste ohne dramatische Ertragseinbußen ausgleichen. Bei extremen Witterungsbedingungen ist dagegen jede intakte Wurzel nötig, um die Pflanzen zu versorgen. Das gilt besonders für Standorte mit begrenzter Wasserkapazität.

In Wurzelschutzversuchen des Pflanzenschutzdienstes Niedersachsen wurden im Weizen Mehrerträge zwischen 2 und 5 % gegenüber einer Standardbeize erreicht.

 

Brachfliege und Drahtwurm

Für Flächen mit einem hohen Befallsrisiko steht Signal 300 ES (Cypermethrin) zur Verfügung, zugelassen in Winterweichweizen und Wintergerste gegen Brachfliege und Drahtwurm. Versuchsergebnisse zeigen eine befriedigende Wirkung gegen die Brachfliege. Die Indikation Brachfliege enthält den Zusatz „nur zur Befallsminderung“. Im Roggen ist Signal über eine Notfallzulassung vom 15.Juli -11.November 2025 einsetzbar. Signal 300 ES hat die Windauflage und darf nur in zertifizierten Beizbetrieben angewendet werden.  Zudem darf die die Wirkstoffmenge im Staub 0,01g Cypermethrin pro 180 kg Saatgut nicht überschreiten (NT 714).

 

„Spritzen-TÜV“ auch für Beizgeräte, viele Mittel nur noch in zertifizierten Beizanlagen nutzbar

Stationäre und mobile Beizgeräte > 5 kg Chargengröße müssen turnusmäßig von ausgebildeten Kontrollmonteuren in einer anerkannten Kontrollwerkstatt überprüft werden.  Die Prüfplakette am Gerät dient als Nachweis dafür. Die Kontrollpflicht wiederholt sich anschließend alle 6 Kalenderhalbjahre.

Bestimmte Beizen dürfen nur in professionellen Beizanlagen (Eintragung in die Geräteliste des JKI) verwendet werden. Die Mittel haben die Anwendungsbestimmung NT 699. Dies betrifft derzeit Latitude, Vibrance Trio sowie Seedron und die Insektizidbeize Signal 300 ES. Professionelle Saatgutbehandlungseinrichtungen verfügen u.a. über ein Qualitätssicherungssystem zur Staubminderung in Verbindung mit einem geeigneten Beizverfahren. So soll sichergestellt werden, dass eine bestimmte Wirkstoffmenge im Staubabrieb nicht überschritten wird (NT 714, NT 715). Darüber hinaus fordert die NT 716 bei einigen Mitteln eine beschränkte Gesamtmenge an Staubabrieb (2g/180 kg Saatgut, z.B. Vibrance Trio, Seedron). Die Beizeinrichtungen mit Qualitätssicherungssystem sind auf der Homepage des Julius-Kühn- Institutes einsehbar. Latitude XL ist ab sofort von den Auflagen 699 und 715 befreit und kann somit auch in nicht zertifizierten Anlagen eingesetzt werden.

 

Wie erreicht man die JKI-Listung?

Eine Listung als professionelle Beizanlage kann entweder durch eine Zertifizierung nach SeedGuard oder direkt über eine Prüfung des JKI erreicht werden. In Niedersachsen sind einige Beizanlagen mittlerweile zertifiziert. Langfristig werden weitere fungizide Beizmittel im Getreide die Zertifizierungs- und Staubabriebauflagen erhalten.

 

Nicht bei Wind drillen

Die sogenannte „Windauflage“ NH 681 (gebeiztes Saatgut darf nur bei Windgeschwindigkeiten < 5m/sec ausgebracht werden) gilt derzeit bei den Getreidebeizen für Signal 300 ES und für Latifam Extra.

 

Anwenderschutz beachten!

Die Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung beim Beizen wurden verschärft. So sind z.B. bei einigen Präparaten Schutzhandschuhe (Pflanzenschutz) und Schutzbrille sowie ein Schutzanzug für den Pflanzenschutz vorgeschrieben. Die entsprechenden bußgeldbewehrten Anwendungsbestimmungen stehen in der Gebrauchsanleitung des jeweiligen Mittels und sind gewissenhaft einzuhalten.