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Winterweizen – Gesunde Sorten zahlen sich aus!

Webcode: 01044624
Stand: 15.09.2025

Winterweizen steht während der gesamten Vegetationsperiode unter dem Druck verschiedenster Krankheiten – gleichzeitig nimmt die Zahl wirksamer Fungizide stetig ab. Umso wichtiger wird die Wahl der richtigen Sorte: Denn blattgesunde Sorten mit stabiler Resistenz ermöglichen es, den Fungizideinsatz deutlich zu reduzieren – ohne wirtschaftliche Einbußen. Dieser Artikel zeigt, wie das Zusammenspiel aus Sortenwahl und angepasster Fungizidstrategie zum Schlüssel für einen erfolgreichen und wirtschaftlichen Weizenanbau wird.

Typische Symptome (V.l.n.r) der Blattk. Mehltau, Septoria tritici, Gelbrost und Braunrost
Typische Symptome (v. l. n .r) der Blattkrankheiten echter Mehltau, Septoria-Blattdürre, Gelbrost und BraunrostDr. Hendrik Hanekamp

 

 

 

 

 

 

 

Ertragsrelevante Blattkrankheiten im Weizen

In niedersächsischen Weizenversuchen der vergangenen 20 Jahren traten im wesentlichen Septoria-Blattdürre (Septoria tritici), Gelbrost (Puccinia striiformis) und Braunrost (Puccinia triticina) als ertragsrelevanteste Blattkrankheiten auf. Der echte Mehltau (Blumeria graminis) und die DTR-Blattdürre (Drechslera tritici-repentis) waren mit regionalen Hotspots deutlich weniger etragsrelevant.

Gelbrost gewann seit 2012 durch die Überwindung wichtiger Resistenzgene als ertragsmindernde Blattkrankheit an Bedeutung. Der Pilz benötigt mild-feuchte Bedingungen bei optimalen 10 – 20°C. Zu hohe Temperaturen über 25 °C hemmen die Ausbreitung. Braunrost entwickelt sich besonders gut bei warm-trockener Witterung mit Temperaturen über 25 °C in Verbindung mit Taubildung. In den letzten Jahren tritt Braunrost zunehmend früher in der Saison auf und sorgt in anfälligen Sorten für signifikante Ertragseinbußen. Die Sortenresistenzen gegen Gelb- und Braunrost beruhen wesentlich auf einzelnen Resistenzgenen. Deshalb kann die Sortenresistenz einerseits sehr hoch ausgeprägt sein aber durch neue Rassen andererseits auch schnell und vollständig verloren gehen. Der Mittelwert der Gelbrosteinstufung für alle seit 2020 zugelassenen Sorten liegt laut Bundessortenliste 2024 mit 2,5 (Spanne von 1 = sehr gesund bis 5 = mittel) auf einem guten Niveau. Der entsprechende Wert für Braunrost liegt mit 3,4 (Spanne von 1 = sehr gesund bis 8 = stark bis sehr stark anfällig) um etwa einen Notenpunkt schlechter. Die Spanne der Einzelwerte sowohl bei Gelb- als auch bei Braunrost zeigt, dass es neben hoch resistenten Sorten auch Sorten mit hoher bis sehr hoher Anfälligkeit gibt. Hier kann über die Sortenwahl eine wirksame, kostengünstige Maßnahme gegen beide Rostarten genutzt werden. Aufgrund schneller potentieller Erregeranpassung kann sich das Resistenzniveau einzelner Sorten jährlich verändern. Daher sind wirksame Fungizide enorm wichtig. Gegen Braun- und Gelbrost sind das aus der Gruppe der Azole zum Beispiel Tebuconazol oder Metconazol. Darüber hinaus wirken Strobilurine sehr gut vorbeugend und anhaltend gegen Roste. Die Gruppe der Carboxamide zeigt gegen Gelbrost gute Leistungen wobei im Weizen-Braunrost seit wenigen Jahren Mutationen auftreten, die zu einer reduzierten Wirksamkeit im Feld führen können.

Zu Beginn der 2000er dominierte noch die Septoria-Blattdürre als ertragsrelevanteste Krankheit. Septoria benötigt Ausgangsbefall vor Ort, feucht-nasse Bedingungen mit Regen zur Verteilung der Sporen und zur rund 36 Stunden Blattnässe zur Infektion. Abgesehen von den Küstenregionen hat die Ertragsrelevanz von Septoria in Niedersachsen in den letzten Jahren auch aufgrund der zunehmend trocken-warmen Frühjahrswitterung abgenommen. Die Sortenresistenz gegen Septoria besteht aus einem Zusammenwirken vieler Resistenzgene und ist deshalb dauerhafter. Basierend auf den Noten der Bundessortenliste 2024 liegt die Einstufung aller seit 2020 zugelassenen Sorten im Mittel bei einem Wert von 3,8 (Spanne von 3 = gesund bis 5 = mittel). Dieses befriedigende Resistenzniveau mit wenig Streuung zeigt, dass sich über die Sortenwahl zwar ein gewisser Schutz erreichen lässt, aber eine hoch wirksame Vorbeugung bei hohem Infektionsdruck nicht gewährleistet ist. Hier ist der Einsatz von Fungiziden ein wichtiger Baustein für eine integrierte Septoriabekämpfung. Insbesondere Mefentrifluconazol gefolgt von Prothioconazol sind potentente Azole mit vorbeugender und begrenzter kurativer Leistung. Auch Fenpicoxamid (QiI) und der Multi-Site Wirkstoff Folpet sind potente und wichtige Bausteine für ein sinnvolles Resistenzmanagement der Fungizidwirkstoffe gegen Septoria.

Der echte Mehltau benötigt hohe Luftfeuchtigkeit bei geringer Lichtintensität und ist in einem sehr breiten Temperaturbereich von 1-30 °C bei optimalen 20-24 °C aktiv. Durch den breiten Temperaturbereich tritt der Pilz häufig vor dem Schossen in anfälligen Sorten auf Standorten mit hoher Stickstoffnachlieferung auf. Der Mittelwert der Mehltaueinstufung für alle seit 2020 zugelassenen Sorten liegt laut Bundessortenliste 2024 mit 2,7 (Spanne 2 = gesund bis sehr gesund bis 6 = mittel bis anfällig) auf einem guten Niveau. Die Wahl einer resistenten Sorte und eine bedarfsgerechte N-Düngung sind die wirksamsten vorbeugenden Maßnahmen gegen Mehltau. Zur protektiven Bekämpfung des Pilzes stehen im Weizen spezielle Mehltaufungizide (z.B. Morpholine, Cyflufenamid, Proquinazid, etc.) zur Verfügung, die aber zum Teil aufgrund einer Anpassung des Erregers nicht mehr voll wirksam sind.

Genetischer Pflanzenschutz: Zuchtfortschritt nutzen!

Grafik Winterweizen Sorten werden immer gesünder
Abb. 1: Winterweizen Sorten werden immer gesünderDr. Hendrik Hanekamp
Neue Weizensorten werden immer blattgesünder. Diese Entwicklung ist in Abbildung 1 „Winterweizen: Sorten werden immer gesünder“ dargestellt. Berechnet wurde der Mittelwert der Resistenzeinstufungen nach Bundessortenliste für fünf ausgewählte Blattkrankheiten. In die Berechnung sind die jährlich 15 vermehrungsstärksten Sorten berücksichtigt. Die Werte zeigen eine abnehmende Tendenz. Das heißt konkret: Die Sorten werden gesünder. Besonders beim Gelbrost verbesserte sich die Resistenz seit 2012 um mehr als einem Notenpunkt auf aktuell 2,7. Wobei sich in den Jahren 2022 bis 2024 ein Rückgang des Resistenzniveaus abzeichnet, eventuell durch Überwinden eines oder mehrerer Resistenzgene durch den Gelbrost-Pilz. Das bereits gute Resistenzniveau beim Mehltau hat sich über die Jahre gehalten. Bei Braunrost und Septoria hat es eine Verbesserung um etwa 0,5 Notenpunkte gegeben. Das mag gering erscheinen, dennoch unterstreicht diese Entwicklung, dass es eine kontinuierliche züchterische Verbesserung der Resistenz im Sortenmaterial gegeben hat. Bei Septoria ist die Verbesserung in dem Zeitraum vor allem durch zuletzt weniger Sorten mit sehr schlechter Einstufung als noch vor 21 Jahren zu erklären.

Die Sortenwahl ist die wichtigste Entscheidung zur Krankheitsvorbeuge im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes. Langjährige Versuchsreihen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen belegen: Mit einer blattgesunden Sorte sind signifikante Einsparungen bei Fungiziden möglich und zudem ökonomisch sinnvoll.

Gesunde Sorten bringen stabilere Erträge!

Grafik LSV Winterweizen Genetsicher vs. chemischer Pflanzenschutz
Abb. 2: LSV Winterweizen genetischer vs. chemischer PflanzenschutzDr. Hendrik Hanekamp
In den Landessortenversuchen (LSV) der Landwirtschaftskammer Niedersachsen werden alljährlich vielversprechende Sorten ohne und mit Fungizidschutz geprüft. Aus diesen Versuchen lässt sich für jede Sorte der regionale Gesundheitsstatus anhand der Ertragsdifferenz zwischen den beiden Stufen ablesen. Abbildung 2 zeigt die Erträge sowie die Ertragsdifferenzen des LSV zwischen der Stufe 1 (ohne Fungizid) und der Stufe 2 (mit Fungizid) der Sorten seit 2005. Im Mittel betragen die Ertragsdifferenzen 10 dt/ha, wobei sie zwischen 3 dt/ha im Jahr 2010 und 21 dt/ha im Jahr 2014 schwanken.

Den größten Einfluss auf den Krankheitsdruck haben die Frühjahrswitterung und die Sortenresistenz. Vor allem 2014 sticht aufgrund der damals neuen, virulenten Gelbrostrasse „Warrior“ mit ertragsrelevantem Auftreten negativ heraus. Auch das Jahr 2024 war ein Jahr mit hohem Krankheitsdruck. Dies schlägt sich auch in der rel. hohen Ertragsdifferenz zwischen den beiden Stufen nieder. Gesunde Sorten zeichnen sich gerade in Jahren mit hohem Krankheitsdruck durch stabile Erträge aus. Ab 2014 ist an den sinkenden Differenzen der Erfolg der Resistenzzüchtung vor allem gegen Gelbrost abzulesen. In gesunden Sorten entstehen aufgrund der Sortenresistenzen auch in Jahren wie 2014 und 2024 nur geringere Ertragsdifferenzen zwischen den beiden Stufen. Dieser Effekt kann in den Ergebnissen der Landessortenversuche (Webcode: 01044596) abgelesen und direkt bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Sorte genutzt werden.

Resistente Sorten zahlen sich aus!

Grafik 8 Jahre Sortenversuch Höchster Markterlös mit gesunden Sorten
Abb. 3: 8 Jahre Sortenversuch Höchster Markterlös mit gesunden SortenDr. Hendrik Hanekamp
Letztlich stellt sich die Frage: Welche Sorte ist aus ökonomischer Sicht für den eigenen Betrieb die sinnvollste? Zur Beantwortung dieser Frage führt die LWK Niedersachsen jährlich Versuche durch. In Abbildung 3 die Auswertung einer 8-jährigen Versuchsreihe (2017 - 2024) der Bezirksstelle Northeim an zwei Standorten (Höckelheim & Poppenbrug) mit jeweils einer gesunden und anfälligen Sorte mit drei Fungizidintensitäten dargestellt. Beide Standorte haben eine hohe Ackerzahl von ca. 85 und eine mittlere Niederschlagssumme von ca. 670 mm / Jahr im Versuchszeitraum. Die Sortentypen „anfällig“ vs. „gesund“ sind für vier ausgewählte Blattkrankheiten in Tabelle 1 beschrieben. Die gesunden Sorten sind gegenüber den anfälligen durch eine deutlich bessere Resistenz insbesondere gegen Gelbrost, Braunrost und Septoria gekennzeichnet. Beim Mehltau besteht kein nennenswerter Unterschied in der Einstufung. Als Fungizidvarianten wurden neben der fungizidfreien Kontrolle drei Varianten mit steigenden Fungizidintensitäten geprüft: Variante „1 x Fungizid“ = eine Anwendung im Fahnenblattstadium; Variante „2 x Fungizid“ = je eine Anwendung zu Schossbeginn und im Fahnenblattstadium; Variante „3 x Fungizid“ = je eine Anwendung zu Schossbeginn, im Fahnenblattstadium und zu Blühbeginn. Dargestellt sind die Markterlöse abzüglich der Fungizidkosten berechnet mit jahresspezifischen Weizen- und Fungizidpreisen sowie der Behandlungsindex (BI). Der Behandlungsindex ist das Verhältnis von ausgebrachter zu maximal zugelassener Aufwandmenge der Fungizidapplikation und ist ein Maß für die Fungizidintensität. Die Erträge in den Kontrollen lagen bei 89 dt/ha (anfällig) und 92 dt/ha (gesund). Das Befallsgeschehen war an beiden Standorten im Wesentlichen durch die Krankheiten Gelb- und Braunrost sowie Septoria-Blattdürre geprägt. Der höchste Gesamterlös wurde mit 2.160 €/ha in den gesunden Sorten mit einer Fungizidanwendung (BI: 0,8) erreicht. Der maximale Erlöszuwachs durch Fungizideinsatz im Vergleich zur Kontrolle lag in den gesunden Sorten bei 54 €/ha bei einer Fungizidanwendung und in den anfälligen Sorten bei 162 €/ha in der dreimaligen Fungizidanwendung. Unter den geprüften Bedingungen zeigt diese 8-jährige Versuchsreihe: Das notwendige Maß ist in gesunden Sorten deutlich geringer, ohne dass es zu Erlösrückgängen kommt. Weitere Argumente für blattgesunde Sorten sind die geringeren Ertragsschwankungen durch weniger starke Krankheitsepidemien und weniger Zeitdruck bei der Bestandesführung ab dem Schossen.

Mittelwerte des Sortenalters im Aussaatjahr und der Noten nach Bundessortenliste für zwei Sortentypen in der Versuchsserie 'NOM Fungizid' über 8 Jahre
Tab. 1: Mittelwerte des Sortenalters im Aussaatjahr und der Noten nach Bundessortenliste für zwei Sortentypen in der Versuchsserie NOM Fungizid über 8 JahreDr. Hendrik Hanekamp

 

 

 

 

 

 

Resistente Sorten auch in 2024 ökonomisch im Vorteil!

Grafik Gesunde Sorten auch bei starkem Befallsdruck im Jahr 2024 am wirtschftlichsten
Abb. 4: Gesunde Sorten auch bei starkem Befallsdruck im Jahr 2024 am wirtschaftlichstenDr. Hendrik Hanekamp
Das Jahr 2024 war im Vergleich zu den Vorjahren durch einen frühen und hohen Krankheitsdruck insbesondere durch Braunrost gekennzeichnet. Nach den beschriebenen Ergebnissen der 8-jährigen Versuchsreihe liegt die Frage nahe: War auch in 2024 eine Einmalbehandlung in gesunden Sorten ökonomisch am sinnvollsten? Dazu ist in Abbildung 4 der Versuch für das Jahr 2024, nach gleichem Muster wie die langjährige Auswertung, wieder mit zwei Standorten dargestellt: Auch im Jahr 2024 haben die gesunden Sorten in der Einmalbehandlung den höchsten Erlös mit 2.174 €/ha erzielt. Der Vorteil gesunder Sorten in krankheitsintensiven Jahren wie 2024 wird zudem in der höheren Erlösdifferenz zwischen den beiden Sortentypen in der Kontrolle sichtbar. Der genetisch bedingte Mehrerlös der gesunden Sorten liegt in der Kontrolle bei 291 €/ha. Dieser Erlösvorteil und die sichtbar größeren Erlösschwankungen in der anfälligen Sorte ohne Fungizidschutz unterstreichen die Bedeutung einer gesunden Sorte für eine entspanntere Bestandesführung mit weniger Zeitdruck.

Selbstverständlich ist die Blattgesundheit nur ein Kriterium unter vielen bei der Sortenwahl. Dazu gehören die Backqualität, die Halmstabilität, die Resistenz gegen Halmbasiserkrankungen oder Ährenfusarium und auch die Winterhärte. Dennoch sollten bei der Sortenwahl die oben beschrieben positiven Erlöseffekte der Blattgesundheit immer einbezogen werden, um das notwendige Maß an Fungiziden so gering wie möglich zu halten.

Wie erkenne ich gesunde Sorten?

Bei der Sortenwahl sollten regelmäßig neue junge Sorten in den Blick genommen werden, da diese grundsätzlich gesünder sind als ältere Sorten. In den oben beschriebenen Versuchen sind gesunde Sorten durch die 3&3 Regel definiert. Sie lautet wie folgt: Gesunde Sorten sollten in der Beschreibenden Sortenliste bei den 4 Blattkrankheiten (Gelb- und Braunrost, Mehltau und Septoria) im Mittel mit Note 3 oder niedriger eingestuft und im Aussaatjahr nicht älter als drei Jahre sein. Diese Charakterisierung des Sortentyps „gesund“ hat sich in mehrjährigen Versuchen unter niedersächsischen Bedingungen bewährt. Je jünger die Sorte, desto weniger Zeit hatten insbesondere die Rostpilze die Sortenresistenzen durch Anpassung zu überwinden. Dieser Sortentyp „gesund“ erzielte mit einer Fungizidanwendung eines breit wirksamen Azol-Carboxamid Produktes im Fahnenblattstadium sowohl in mehrjährigen Versuchen als auch unter dem hohem Befallsdruck im Einzeljahr 2024 den höchsten Erlös. In Tabelle 2 sind Sorten aufgeführt, die nach der genannten 3&3 Regel aus gesund eingestuft werden. Berücksichtig wurden Sorten mit einer Vermehrungsfläche von über 100 ha. Die Versuche belegen, dass insbesondere eine gute Resistenz gegen Gelb- und Braunrost deutliche Einsparungen bei Fungiziden bei höchsten ökonomischen Erträgen ermöglicht.

Sorteneffekt auf Gelbrost links resistente Sorte_rechts anfällige Sorte_Poppenburg_Henze
Sorteneffekt auf Gelbrost: links resistente Sorte, rechts anfällige SortePetra Henze